Was Medien mit dem politischen Stadttaubenmanagement zu tun haben.
Eine vergleichende Diskursanalyse der Zeitungsberichterstattung in München und Ingoldstadt.
Eine Masterarbeit von Minea Pejic
Das Dokument umfass 97 Seiten und wir zeigen hier einen kleinen Auszug.
Motivation und Ziele der Arbeit
Tötet die Tauben“? – Zugegeben, der Titel dieser Arbeit macht im ersten Moment etwas stutzig. Denn diese Arbeit soll keinesfalls als ein Beitrag gegen Tauben aufgefasst werden. Im Gegenteil: Sie untersucht die Zeitungsberichterstattung über Tauben und ihren Zusammenhang mit Entscheidungen im politischen Stadttaubenmanagement. Nun könnte man fragen, ob es nicht auch wichtigere Themen für eine Masterarbeit gibt als Stadttauben. Die gibt es mit Sicherheit. Doch eines soll diese Arbeit insbesondere durch das Thema „Stadttauben“ schaffen: Ein Wirkungsgeflecht zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen sichtbar und nachvollziehbar zu machen und zwar besonders die Kopplung von journalistischer Berichterstattung mit den aktuellen politischen Entscheidungen einer Stadt.
Theoretischer Hintergrund
In diesem Kapitel soll nun der theoretische Rahmen dieser Untersuchung gezogen werden. Zunächst wird der „Raum des Sagbaren“ (Meyen et al., 2019, S. 155) abgesteckt, das heißt, es soll ein Überblick darüber verschafft werden, was sich zum Thema „Stadttauben“ potenziell sagen ließe. Denn wie bereits erwähnt: Lücken, Richtigkeit und Umfang in der Berichterstattung lassen sich erst feststellen und bewerten, wenn der Forscher vollumfänglich über die Thematik informiert ist. Im nächsten Schritt wird Michel Foucaults Diskursanalyse vorgestellt, die als theoretische Perspektive auf die Untersuchung und das Untersuchungsmaterial dieser Arbeit verwendet wird. Es wird insbesondere darauf eingegangen, was Diskurse nach Michel Foucault eigentlich genau sind, wie Diskurse innerhalb der Gesellschaft produziert und weiterverarbeitet werden und warum die Diskurstheorie für die Wissenschaft von Interesse ist. Im darauffolgenden Kapitel wird auf die Diskursebenen „Leitmedien“ und „Lokalmedien“ und insbesondere ihre Eigenlogik und Position in der Produktion von Diskursen eingegangen. Hierfür werden besonders die Theorien von Noam Chomsky (2003), Ulrich Beck (2017) und Uwe Krüger (2016) herangezogen. Im letzten Kapitel wird dann das aus den Theorien resultierende Kategoriensystem vorgestellt und näher erläutert.
Der Taubendiskurs in der Wissenschaft
In diesem Kapitel soll nun erfasst werden, wie weit sich der „Raum des Sagbaren“ (Meyen et al., 2019, S. 157) zum Thema Tauben aufspannen lässt und was potenziell gesagt werden könnte. Das ist besonders interessant, da man so beobachten kann, inwieweit Journalisten ihrer Funktion und ihrem Selbstanspruch als neutraler und möglichst umfassender Berichterstatter (Weischenberg, Malik & Scholl, 2005, S. 356) nachkommen und welche Themen besonders oft oder sehr selten aufgegriffen werden. Da es zum Thema „Stadttauben“ und der Stadttaubenproblematik leider nicht genügend aktuelle wissenschaftliche Literatur zu finden gibt, stützt sich dieses Kapitel zu einem großen Teil auch auf die bereits beschriebenen Experteninterviews von Manuela Kellner, Eva Fink und Anja Roscam Abbing, welche ergänzend zu der Literatur mit in den Text eingebracht werden. Auch Dr. Lars Düster, Professor für Umweltanalytik, erwähnt bereits 2007 auf der ersten deutschen Stadttauben-Tagung, dass es neben der Basler Schule von Prof. Haag-Wackernagel kaum wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zum Thema „Stadttauben“ gibt (S. 7). Anders als bei Tauben im Allgemeinen: „Schließlich sind Tauben längst schon Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und liefern wertvolle Erkenntnisse auf dem Gebiet der Ornithologie, Ökologie und Verhaltensforschung“ (Weyrather, 2014, S. 2). Tauben scheinen die Wissenschaft bereits länger zu beschäftigen, weshalb es eine Vielzahl an Studien zu den kognitiven Fähigkeiten von Tauben gibt. Leider gibt es bei den spezifischen Themen „Stadttauben“ und „Stadttaubenproblematik“ noch erhebliche Lücken in der Forschung. Diese Erkenntnis teilen auch die befragten Experten.
Eine Beobachtung möchte ich allerdings bereits im Vorfeld ansprechen. Wenn man im Internet und auch in universitären Literaturkatalogen nach dem Thema „Stadttauben“ sucht, trifft man sehr oft auf den bereits kurz erwähnten Biologen Prof. Dr. Haag-Wackernagel von der Universität Basel. Dieser widmet einen Großteil seiner Forschung den Stadttauben und der Stadttaubenproblematik und veröffentlichte zahlreiche Artikel zu diesem Thema. Allerdings bin ich im Laufe meiner Recherche im Tierschutz- und Taubenhilfe-Netzwerk und bei der Durchführung der Experteninterviews immer wieder vor Haag-Wackernagel gewarnt worden. Unter den Experten und den restlichen Mitgliedern diverser Taubenhilfe-Netzwerke herrscht Einstimmigkeit darüber, dass viele Aussagen und Methoden von Haag-Wackernagel als nicht tierschutzkonform, hetzerisch und ja, als falsch zu bewerten sind. Er erlangt innerhalb aller Tauben-Experten keinerlei Legitimation. Besonders auffällig ist, dass Haag-Wackernagel in seinen Artikeln darauf verweist, dass Tauben Krankheitsüberträger und Schädlinge sind, die für den Menschen und seine Haustiere gefährlich werden können.
So machten beispielsweise 2012 in seiner Ausstellung über Stadttauben in Basel detaillierte Ausführungen und Informa-tionen zu unterschiedlichen Tauben-Parasiten und -Krankheiten rund 2/3 des Tagesprogramms aus. Durch Überschrif-ten wie „Strassentauben übertragen Krankheiten auf den Menschen“ oder „Parasiten der Taube können den Men-schen befallen“ spricht Haag-Wacker-nagel gezielt die Angst der Menschen an. Besonders bei Betrachtung der verwen-deten Plakate mitsamt ihren Signalfarben und den Hervorhebungen des Textes wird dieses ersichtlich. (siehe Abb. 2) Auch der Titel der Ausstellung, „Unerwünschte Gäste“, setzt bereits einen negativen Frame auf Stadttauben (Haag-Wackernagel, 2012, S. 1f).
Diesen relativiert er in seiner Ansprache zwar wieder und verweist auch auf positive Aspekte der Taube, allerdings bleibt die erste negative Aussage als Wirkung im Hinterkopf zurück. Ebenfalls auffällig ist die Intensität, mit der Haag-Wackernagel über gängige Abwehrmaßnahmen spricht. In der eben erwähnten Stadttauben-Ausstellung fand tatsächlich eine Kooperation mit einem Schädlingsbekämpfungsunternehmen und einem Unternehmen mit Spezialisierung auf Taubenabwehrsysteme statt, was aus dem Programm ersichtlich wird (Haag-Wackernagel, 2012, S. 29). Es lassen sich ebenfalls Artikel von Haag-Wackernagel in Werken wie „Handbuch für den Schädlingsbekämpfer“ oder der „DPS Fachzeitschrift für Schädlingsbekämpfung“ finden. Es ließe sich vermuten, dass Haag-Wackernagel mit seiner Forschung – ähnlich wie bei der Vermutung über Medien – seine Ergebnisse politik- und wirtschaftskonform deutet. Wie bereits erwähnt, herrschen innerhalb von Diskursen ständig Deutungskämpfe, und deshalb lässt sich auch sagen: „Wissenschaft ist immer auch politisch“ (Jäger & Jäger, 2007, S.16). Deswegen wurden die hier einbezogenen Artikel von Haag-Wackernagel mit einem kritischen Auge begutachtet. Nach gründlicher Analyse der gefundenen Fachartikel und der Auswertung der Interviews, wurden folgende Themen-Cluster gebildet, welche im nachfolgenden detaillierter ausgeführt und beschrieben werden: Begriffsdefinitionen „Stadttaube“, „Haustaube“ & „Wildtaube“; Ursprung, Lebensweise, Brutverhalten und Nahrung; Die Rolle des Menschen in der Stadttaubenproblematik (Brieftaubensport & Taubenzucht); Schäden und Gesundheitsgefahren durch Tauben und Lösungsansätze/Abwehrmaßnahmen.
Begriffsdefinitionen „Stadttaube“, „Haustaube“ & „Wildtaube“
Einer der wichtigsten und meist missverstandenen Punkte in der Stadttauben-Thematik ist der Unterschied zwischen sogenannten „Haustauben“ und den „Wildtauben“ (siehe Abb. 4). Doch für die Bewertung der Stadttaubenproblematik und ihrer Lösungsansätze ist es essenziell zu wissen, um was es sich bei den „Stadttauben“ eigentlich genau handelt. Entgegen der Annahme, Taube ist Taube, gibt es nämlich gravierende Unterschiede zwischen wilden und „häuslichen“ Tauben. Manuela Kellner (2019) klärt auf: „Unsere Stadttauben gelten genauso wie die Straßenhunde oder Straßenkatzen als verwilderte Haustiere und nicht als Wildtauben“ (S. 5). Auch Anja Roscam Abbing (2019) betont den Unterschied zwischen „Haustauben“ und „Wildtauben“ und den Status der „Stadttaube“ als verwildertes Haustier. Als Wildtauben zählen beispielsweise Türken- und Ringeltauben (S. 1). Es ist wichtig, dass die Bevölkerung den Unterschied zwischen einer verwilderten Haustaube, wie sie die Stadttaube ist, und einer Wildtaube kennt, findet Manuela Kellner. Stadttauben leben nicht von Natur aus in der Stadt, im Gegenteil: Sie haben gar keinen natürlich-angestammten Lebensraum. Stadttauben entstammen als domestizierte Haustauben aus Taubenschlägen, genauso wie Zuchttauben oder Brieftauben. Sie haben alle nie gelernt, frei in der Natur zu leben. Wildtauben hingegen leben bereits immer schon in der Natur, wie beispielsweise in Wäldern oder Parks mit vielen Bäumen (Kellner, 2019, S. 5). Ein wichtiger Hinweis an dieser Stelle: „Stadttauben“ als Tauben-Art gibt es in der Nomenklatur der Biologie nicht. Sie sind verwilderte und obdachlose Haustauben. Mehr zur genauen Abstammung der Stadttauben folgt auf Seite 19.